Montag, 14. September 2015

Loslassen der Opfer

Es ist möglich, dass Menschen lieber loslassen als sich anzuklammern. Das Loslassen von einer Person oder von einem Verhaltensmuster oder von einem Gedanken ist "eigentlich" eine bequeme Tätigkeit. Beim Loslassen ist keine aktive Energie nötig. Es genügt völlig, einfach gar nichts zu tun, schon ist losgelassen. Die Dinge würden einfach geschehen. 

Das Opfer klammert aber lieber an seinem Peiniger? 

Falls ja, dann könnte es sich bewusst machen, dass es weitaus anstrengender ist, zu klammern, da eben ja aktive Energie dazu nötig ist. Das Sicheinfügen, Sichanpassen, das Vermeiden von Angst, das kostet doch total viel Kraft.

Die Loslösung von einem Narzissten könnte der Opferseele den Weg eröffnen, wieder z. B. Glück, Erfüllung, Freude zu empfinden. Die Loslösung bringt allerdings "Schwierigkeiten" mit sich: Angst, Unsicherheit, "Liebesverlust", Alleinsein, Ausgestoßensein, Bestrafung über den Narzissten und vermutete Erfolglosigkeit. Um dies zu vermeiden, mag es sein, dass das Opfer sich lieber weiterhin an den Narzissten anpasst, an ihm klammert.

Eine weitere Anpassung zieht jedoch einiges nach sich. Anhaften kann zu Ehrgeiz, Neid, Konkurrenzdenken, Habgier, Geltungsdrang, Aggression, Angst, Unsicherheit, Eifersucht, Besitzgier, Konsumzwang, Sucht, Unruhe, Hektik, Nervosität oder zu anderen Unliebsamkeiten führen.

Freiheit und Loslassen werden zum unerreichbaren Wunschtraum. Es bleibt die unerfüllte Sehnsucht nach Erlösung, diese kann tiefen inneren Schmerz erzeugen.

Das Opfer weiß nicht, ob die Nachteile des Loslassens nicht doch denen der Anpassung überwiegen. Der Wunsch, das seelische Leid abzuwerfen ist zwar groß, auch der Schmerz, aber die Angst vor der Unsicherheit, die die Zukunft bringen könnte, sie ist häufig einfach größer.

Manche Opfer leben lieber in Abhängigkeit, das aber kostet eine riesige Anstrengung, die Energie raubt, die zur totalen Erschöpfung führen kann. Den ganzen Tag in Abhängigkeit zu leben, unter großer Anspannung zu stehen, sich dabei teilverantwortlich selbst zu zwingen, Gewalt aushalten zu müssen, das kann für die Seele massiven Stress erzeugen.

Es gehört sehr viel Mut dazu, dieser möglichen Wahrheit ins Gesicht zu sehen, sich intensiv mit ihr zu beschäftigen, sie anzunehmen, um das Loslassen als positives Zulassen zu verstehen oder zu erleben.