Dienstag, 8. September 2015

Narzisstische Empathie

Als klassisches Erkennungsmerkmal eines Narzissten wird aufgeführt, dass ein Narzisst keine Empathie geben kann. 

Ihm fehlt der realistische Blick auf seine Gefühle, ihm fehlt das Fühlen seiner Gefühle, ihm fehlen Gefühle, an denen er sich orientieren könnte, um zu verstehen, was andere Menschen fühlen. Zwar fehlen ihm nicht alle Gefühle, benennen kann er sicherlich Verletztheit, Wut, Ärger, sein Spektrum und seine Intensität an Gefühlen aber ist stark eingeschränkt. Er ist eher ein Mensch, der sich durch Gedankenkonstrukte schützt, sein emotionales Inneres zu leben. Er wirkt auf andere Menschen kalt und reserviert, auch abwesend, wenn er nicht gerade in Euphorie ausbricht, um sein grandioses Selbst zu bewerben und zu feiern.

Empathie, das Einfühlen in den anderen, ist ihm schon deshalb nicht möglich, da er sich selbst nicht richtig wahrnehmen kann. Er trägt ein Konstrukt von sich selbst in sich, das allein auf Gedankengebildern beruht, nicht auf dem Kennen seiner Emotionen. Sein Bild von sich ist unvollständig und idealisiert.

Das grandiose Selbst ist kein echtes Selbst. Ihm fehlt der Bezug zu seinem echten Selbst, er kann es einfach nicht sehen, erkennen, benennen, leben, lieben. In ihm scheint gähnende Leere zu sein, die hinter blumigen Phantastereien (idealisierenden Konstrukten) versteckt wird. Sein echtes Selbst fehlt oder ist zumindest tief in ihm verschlossen, eingekapselt und vergraben. 

Für einen Menschen, der "normal" fühlt, sich seinen Emotionen öffnen kann, ist es nur kaum vorstellbar oder nachfühlbar, wie diese emotionale Leere sich in einem N. anfühlen mag. Es muss schrecklich sein, zu merken, dass vorwiegend Gedanken vorherrschen, Gefühle fehlen. 

Natürlich aber würde ein N. auch nicht zugeben, dass in ihm nur kaum oder gar keine Emotionen zu finden sind. Er kann durchaus über Gefühle kommunizieren, seine (vermeintliche) Liebe, sein (vermeintliches) Glücklichsein oder andere als vorhanden benennen. Vertieft sich allerdings die Kommunikation über seine Gefühle, wird schnell deutlich, dass er sich gewisse Phrasen zurechtgelegt hat. Sie wirken sehr einstudiert, roboterartig, auswendig gelernt, wenig lebendig, vor allem aber oberflächlich, teilweise skurril. Dies mag daran liegen, dass sie tatsächlich einstudiert sind, von anderen aufgeschnappt, dann lediglich als eigene Sätze vorgetragen. Nicht selten kommt es vor, dass der Narzisst diesbezüglich die Gefühlssprache des Opfers kopiert. Details, die er nicht nachempfinden kann, wird er dabei dann nicht benennen können. Das ist auffällig, eine wichtige Signifikante.

Manch ein Narzisst mag auch eine Vorliebe für eine "schöne" Sprache haben, narzisstische Denker und Dichter, es gab genug von ihnen, diese gaben sich sicherlich auch Mühe, schönere Worte als peinliche Phrasen zu finden, dies aber machte sie ggf. auch sehr gefährlich für ihre Opfer, da es schwerer ist zu erkennen, welch leerer, kalter Kern in ihnen steckt(e). 

Hört er Gefühlsbenennungen des Opfers, sieht er, dass das Opfer fühlt, weiß er zwar, dass etwas im Opfer an Emotionen passiert, er erkennt dies, aber er kann damit im Grunde nicht viel anfangen. Er kann das nicht nachempfinden, hat dazu allenfalls wiederum (kopierte) Gedankengänge. Verstehen kann er die Gefühle von anderen genau so wenig, wie er einen Blick in seine Emotionswelt zulässt. Gefühle des Opfer überfordern ihn, nerven ihn, stören ihn. Sehr gerne, wenn sein Opfer weint, schlägt er daher verbal noch zusätzlich drauf. Anstatt Trost und Halt zu bieten, verschlimmert er durch unempathisches Vorgehen die Gefühlslage des Opfers. Es mag sein, dass er einfach nur wieder ein Gleichgewicht herstellen möchte zu sich selbst. Das Opfer soll gefälligst mit seinen Emotionen aufhören. Er versucht also, durch Repressalien, des Opfers Emotionen zu stoppen. Es kann auch anders sein, einfach ein Akt der Bemächtigung sein, weil das Opfer ihm gerade zeigt, "schwach" zu sein. In ihm herrscht kognitive Überlegenheit, die er nutzt, um das Opfer tief zu verletzen, ggf. um vorherige "Frechheiten" des Opfers zu rächen.

Braucht das Opfer im übrigen selbst gerade eine emotionale Versorgung, nimmt es die Rolle eines Konkurrenten/ einer Konkurrentin ein. Während es emotionale Versorgung will, kann es ihn ja gerade zeitgleich wohl kaum emotional versorgen. Er ist es doch, der permanent Anerkennung, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Achtung, Liebe, Lob, Kümmernis, Versorgung braucht. Frechheit, dass das Opfer ihm seine Rolle streitig macht? Das Opfer soll also schnell aufhören, etwas zu brauchen, damit es ihm wieder geben kann. Erst dann ist sein konstruiertes Gleichgewicht wieder hergestellt.



Oben schrieb ich:

"Als klassisches Erkennungsmerkmal eines Narzissten wird aufgeführt, dass ein Narzisst keine Empathie geben kann."

 Umgekehrt wird er dann wohl auch nicht merken, wenn ihm Empathie entgegengebracht wird. Eben daher ist er auch nie zufrieden oder satt, wenn er das bekommt, wonach er eigentlich fordert.

Während er also ständig fordert, etwas zu bekommen, kann er nicht erkennen, dass er genau das bekommt, nach dem er sucht. Er spielt sein perfides Spiel auf hohem Niveau, z. B. verwechselt er (absichtlich wirkend) Empathie mit Mitleid, um dann sogar noch zu kritisieren, dass sich um ihn ja niemand kümmern würde. Somit verhindert er selbst geradezu, dass echte Empathie ihn dann auch erreichen kann.

Er kann und will nicht genesen, nicht wirklich Gegebenes annehmen. Bitter.